23.03.2019 | Dr. Thomas Kopp, Matthias Schrader, Dr. Silke Jurczyga

Schiedsklauseln in Unternehmenskaufverträgen – Einbeziehung von nicht-unterzeichnenden Dritten (Interessenkonstellationen und Gestaltungsvorschläge)

optional, Recht & Steuern

1. Problemstellung

Grundsätzlich sind nur die Parteien einer Schiedsvereinbarung durch diese Vereinbarung gebunden.[1 Wolf/Eslami, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 31. Edition, Stand: 01.12.2018, § 1029 Rn. 16 m.w.N.] In bestimmten Konstellationen kann es jedoch mit Blick auf Verfahrensökonomie und Geheimhaltungsbedürfnisse im Interesse einer oder beider Partei(en) liegen, einen nicht-unterzeichnenden Dritten (nonsignatory) in das Schiedsverfahren einzubeziehen. Ist der Streit erst entstanden, kann eine Einigung über die Einbeziehung eines Dritten in ein Schiedsverfahren meist nicht mehr erzielt werden. Enthält die Schiedsvereinbarung keine Regelungen dazu, bedarf die Klärung der Zuständigkeit des Schiedsgerichts in Bezug auf den Dritten regelmäßig eines Zwischenschritts innerhalb des Schiedsverfahrens, der nicht nur zeit- und kostenintensiv sein kann, sondern auch mit Risiken für die Anerkennung und Vollstreckung einhergeht. Denn nimmt das Schiedsgericht zu Unrecht seine Zuständigkeit über den Dritten an, kann der Schiedsspruch der Aufhebung unterliegen (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) ZPO) beziehungsweise der Antrag auf Vollstreckbarerklärung abgelehnt werden (für deutsche nationale Schiedssprüche: § 1060 Abs. 2 S. 1 ZPO; für internationale Schiedssprüche: § 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. V Abs. 1 lit. c) New York Convention). Die Bindungswirkung der Schiedsvereinbarung für Dritte kann damit ein Thema sein, das sich durch das gesamte Schiedsverfahren zieht und Verfahrensunsicherheiten birgt, die sich durch gründliche Vertragsgestaltung im Vorhinein reduzieren lassen.

 

2. Repräsentative Fallkonstellationen und zugrundeliegende Interessen

Die folgenden zwei exemplarisch ausgewählten Szenarien illustrieren die zentrale Frage: Kann ein Dritter, der die im Unternehmenskaufvertrag enthaltene Schiedsvereinbarung nicht unterzeichnet hat, über seinen Widerspruch hinweg in ein Schiedsverfahren einbezogen werden (Szenario 1), bzw. darf er sich die Schiedsvereinbarung, die er nicht unterzeichnet hat, zunutze machen (Szenario 2)?

 

2.1 Szenario 1: Gesamtschuldnerische Haftung; Dritter als Anspruchsgegner

Die Verkäuferin der Zielgesellschaft ist in eine Konzernstruktur eingebunden. Ihre Muttergesellschaft ist maßgeblich in den Transaktionsprozess involviert. Die Verkäuferin und die Käuferin werden die alleinigen Parteien des Unternehmenskaufvertrags, der eine Standard- Schiedsklausel enthält. Nach dem Vollzug der Transaktion behauptet die Käuferin, dass die Zielgesellschaft nicht die zugesicherten Eigenschaften habe und die Verkäuferin und ihre Muttergesellschaft dies verschwiegen hätten. Die Käuferin möchte deshalb vertragliche Ansprüche gegen die Verkäuferin und gegen die Muttergesellschaft geltend machen. Nicht nur sei die Verkaufsentscheidung auf Verkäuferseite letztlich eine Entscheidung der Muttergesellschaft gewesen. Die reputations- und finanzstärkere Muttergesellschaft habe auch die Vertragsverhandlungen maßgeblich geführt. Die Käuferin erhebt deshalb Schiedsklage gegen die Verkäuferin und deren Muttergesellschaft. Die Verkäuferseite bestreitet die Zuständigkeit des Schiedsgerichts hinsichtlich der Muttergesellschaft.

 

2.2 Szenario 2: Drittbegünstigung; Dritter als Anspruchssteller

Der Unternehmenskaufvertrag zwischen der Verkäuferin und der Käuferin sieht ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vor, demzufolge die Verkäuferin für einen Zeitraum von zwei Jahren nicht mit der Zielgesellschaft in Wettbewerb treten darf. Die Zielgesellschaft ist nicht Partei des Unternehmenskaufvertrags, der eine Standard-Schiedsklausel enthält. Unmittelbar nach Vollzug der Transaktion tritt die Verkäuferin mit der Zielgesellschaft in Wettbewerb. Nicht zuletzt mit Blick auf die Wahrung der Vertraulichkeit wettbewerbsrelevanter Informationen möchte die Käuferin sicherstellen, dass sowohl über ihre eigenen Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz als auch über derartige Ansprüche der Zielgesellschaft in einem Schiedsverfahren entschieden wird. Die Käuferin und die Zielgesellschaft erheben deshalb gemeinsam Schiedsklage gegen die Verkäuferin, die die Zuständigkeit des Schiedsgerichts hinsichtlich der Klage der Zielgesellschaft bestreitet.

 

Gesamtschuldnerische Haftung | Nicht-unterzeichnender Dritter als Anspruchsgegner

Quelle: Eigene Darstellung

Drittbegünstigung | Nicht-unterzeichnender Dritter als Anspruchssteller

Quelle: Eigene Darstellung

3. Anwendbares Recht

Wie nachfolgend dargestellt, halten unterschiedliche Rechtsordnungen verschiedene Antworten auf die Frage bereit, ob ein Non-Signatory in eine Schiedsvereinbarung einbezogen werden kann. Diese internationale Umschau lohnt, weil die Parteien das anwendbare Recht grundsätzlich wählen können und sich diese Wahl unmittelbar auf den Kreis der in eine Schiedsvereinbarung einbezogenen Personen auswirkt.

Die Auffassungen dazu, wie das auf die Schiedsvereinbarung anzuwendende Recht in Abwesenheit einer ausdrücklichen Rechtswahl durch die Parteien zu identifizieren ist, sind vielfältig. Zwei generelle Gegenpositionen lassen sich identifizieren: Eine Ansicht will das Recht des Sitzes des Schiedsgerichts anwenden (lex arbitri);[2. Schütze, Kollisionsrechtliche Probleme der Schiedsvereinbarung, insbesondere der Erstreckung ihrer Bindungswirkung auf Dritte, SchiedsVZ 2014, 274, 275; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, Bd. 10, § 1029 Rn. 108.] eine andere Ansicht befürwortet die Anwendung des Rechts des Hauptvertrags (lex causae),[3. BGH SchiedsVZ 2011, 46, 48; Holeweg, Schiedsvereinbarungen und Strohmanngesellschaften, 1998, S. 40 ff.] vorliegend also des Unternehmenskaufvertrags. Ist das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht ermittelt, stellt sich die weitere Frage, ob dieses Recht auch die Frage nach der möglichen Einbeziehung des Dritten beantwortet. Eine Ansicht befürwortet dies,[4. BGH SchiedsVZ 2014, 151,152 f.] während nach einer anderen Ansicht diese Frage nach dem Recht zu beantworten sei, das auf den Rechtsgrund der Erstreckung anzuwenden ist.[5. Schütze, a.a.O., 274, 275.] Danach ist etwa die Frage, ob eine vom Erblasser unterzeichnete Schiedsvereinbarung auf den Erben erstreckt wird, anhand des Erbstatus zu beantworten, und die Frage, ob die Schiedsvereinbarung im Vertrag zugunsten Dritter auf den Dritten erstreckt wird, nach dem Vertragsstatut.

 

4. Deutscher Lösungsansatz zur (Nicht)-Bindung von Nicht-Unterzeichnern

Die gesetzlichen Regelungen zur Schiedsvereinbarung (§§ 1029-1033 ZPO) adressieren die Bindungswirkung der Schiedsabrede gegenüber Dritten nicht explizit. Die Frage hat eine grundrechtliche Dimension: Jeder hat das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG); ein Verzicht darauf muss grundsätzlich ausdrücklich erfolgen.[6. Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar, 7. Aufl. 2018, Bd. 3, Art. 101 Rn. 26 m.w.N.; Müller/Keilmann, Beteiligung am Schiedsverfahren wider Willen?, SchiedsVZ 2007, 113, 114 f.; Gharibian/Pieper, Parteienmehrheit in Schiedsverfahren – Zulässigkeit, Vorteile der Konsolidierung und Herausforderungen bei Mehrparteienkonflikten, BB 2018, 387, 390; Mansel, Vertretungs- und Formprobleme bei Abschluss einer Schiedsvereinbarung – zur subjektiven Reichweite von Schiedsklauseln in Konzernsituationen, in: Grunewald/Westermann, Festschrift für Georg Maier-Reimer zum 70. Geburtstag, München 2010, S. 408.] Gleichzeitig hat jeder das Recht, frei zu entscheiden, ob, mit wem und mit welchem Inhalt er Verträge abschließt; die Vertragsfreiheit als Ausprägung der Privatautonomie ist ebenfalls grundgesetzlich verankert (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG).[7. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar, 7. Aufl. 2018, Bd. 1, Art. 2 Rn. 145 ff. m.w.N.; Mansel, a.a.O., S. 408.] Die wirksame Erstreckung einer Schiedsvereinbarung auf einen Dritten setzt nach deutschem Recht daher grundsätzlich den Konsens der Beteiligten, also auch des Dritten, voraus.[8. Dazu ausführlich Massuras, Dogmatische Strukturen der Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit, 1998, S. 88 ff.] Im deutschen Recht sieht § 1031 ZPO für Schiedsvereinbarungen die Schriftform vor. Das vormals vertretene[9. Massuras, a.a.O., S. 200 ff.] Konzept der stillschweigenden Zustimmung eines Dritten ist damit ausgeschlossen.

Grundsätzlich ist daher durch die Schiedsvereinbarung nur gebunden, wer sie unterzeichnet.[10. BGH NJW-RR 1991, 423, 424.] Da Schiedsvereinbarungen Verträge sind, können Dritte zudem bei Einhaltung der anwendbaren Formerfordernisse in gleichem Maße gebunden werden, wie sie allgemein durch Verträge berechtigt oder verpflichtet werden können, selbst wenn sie nicht als Unterzeichner aktiv werden, etwa bei gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertretung.[11. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit Kommentar, 7. Aufl. 2005, S. 60 f.; Saenger, in: Saenger, ZPO, 7. Aufl. 2017, § 1029, Rz. 9.] In Einzelfällen kann eine Schiedsklausel aufgrund der Vertragskonstellation und der Verhandlungshistorie auch so ausgelegt werden, dass ein nichtunterzeichnender Dritter originär von ihr erfasst ist. Hierbei darf die Ausdehnung auf Dritte nicht dem Verbot von Verträgen zulasten Dritter zuwiderlaufen.[12. Kreindler/Schäfer/Wolff, Schiedsgerichtsbarkeit Kompendium für die Praxis, 2006, Rn. 171; Schwab/Walter, a.a.O., S. 60 f.] In der schiedsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung haben sich Fallgruppen herausgebildet, in denen nichtunterzeichnende Dritte in den Anwendungsbereich einer Schiedsvereinbarung einbezogen werden können, wobei diese Fallgruppen weder abschließend bestimmt noch unumstritten sind.[13. Siehe etwa die Auflistungen bei Schlosser, a.a.O., § 1029 Rn. 70 und Voit, in: Musielak/
Voit, ZPO, 5. Aufl. 2018, § 1029 Rn. 8 m.w.N.]

 

4.1 Erstreckung der Schiedsvereinbarung auf die Muttergesellschaft in Szenario 1

Hält die Muttergesellschaft das Schiedsgericht für unzuständig, so wird sie das in der Regel durch eine Zuständigkeitsrüge im Schiedsverfahren geltend machen. Alternativ kann sie sich im Schiedsverfahren überhaupt nicht einlassen und darauf beschränken, einen gegebenenfalls nachteiligen Schiedsspruch in einem anschließenden Aufhebungsverfahren zu bekämpfen. Dadurch kann sie zwar zunächst die Kosten des Schiedsverfahrens einsparen, vergibt aber die Gelegenheit, schon während des Schiedsverfahrens dem Schiedsgericht ihre Argumente für die fehlende Schiedsbindung zu unterbreiten.

In jedem Fall obliegt es der klagenden Käuferin darzulegen, dass die Muttergesellschaft Partei der Schiedsvereinbarung ist, obwohl sie diese nicht unterzeichnet hat. § 1031 ZPO lässt insoweit Argumentationsspielraum, als das Formerfordernis bereits als erfüllt angesehen werden kann, wenn „irgendein Nachweis“ über die Schiedsvereinbarung existiert.[14. Münch, in: MüKo ZPO, 5. Aufl. 2017, § 1031 Rn. 30 f. m.w.N.] Als Nachweiskommt etwa ein Schriftwechsel in Form von Briefen oder E-Mails in Frage.[15. Wolf/Eslami, a.a.O., § 1031 Rn. 12.] Abhängig von der vorhandenen Dokumentation könnte die Käuferin also versuchen, das Schiedsgericht zu überzeugen, dass die Muttergesellschaft tatsächlich Partei der Schiedsvereinbarung ist. Die Muttergesellschaft wird dem entgegenhalten, dass bei einer professionell durchgeführten Transaktion eine Zustimmung zur Schiedsabrede im Zweifel ausdrücklich im Kaufvertrag oder einem Begleitdokument erfolgt wäre.[16. Vgl. Mansel, a.a.O., S. 413.] Die Berufung der Klägerin auf den bloßen Umstand, dass die Muttergesellschaft zur selben Unternehmensgruppe gehört wie die Verkäuferin, führt bei einer Entscheidung nach deutschem Recht nicht zum Erfolg, da die Group of Companies Doctrine[17. Dazu unter 5.1.] hier ganz überwiegend abgelehnt wird.[18. Müller/Keilmann, a.a.O., 118; Mansel, a.a.O., S. 410.]

Im Ergebnis erfordert die Entscheidung eine Einzelfallbetrachtung, die insbesondere die von der Muttergesellschaft abgegebenen Erklärungen im Kontext der Transaktion berücksichtigt. Die Klägerin muss damit rechnen, dass insbesondere nach deutschem Recht agierende Schiedsgerichte bei der Erstreckung der Bindungswirkung einer Schiedsklausel auf Dritte bereits wegen der verfassungsrechtlichen Aspekte sehr zurückhaltend sein werden.

 

4.2 Erstreckung der Schiedsvereinbarung auf die Zielgesellschaft in Szenario 2

In Szenario 2 könnte sich die Zielgesellschaft erfolgreich auf die Schiedsvereinbarung im Kaufvertrag berufen, wenn das vereinbarte Wettbewerbsverbot ein echter Vertrag zugunsten Dritter ist. Es ist anerkannt, dass bei einem echten Vertrag zugunsten Dritter der Dritte von einer darin enthaltenen Schiedsvereinbarung erfasst wird,[19. Siehe nur Schwab/Walter, a.a.O., S. 65; Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 2008, S. 159 ff.] da zur Forderung des Dritten auch die Möglichkeit ihrer Geltendmachung gezählt wird.[20. Zur Begründung der Erstreckung der Schiedsklausel auf den Dritten bei einem echten Vertrag zugunsten Dritter wird auf die Erstreckung der subjektiven Reichweite einer Schiedsklausel auf einen Zessionar verwiesen: Dieser erwerbe die Forderung inklusive der Möglichkeit ihrer Geltendmachung. Gleiches gelte bei einem echten Vertrag zugunsten Dritter. Siehe Gebauer, Zur subjektiven Reichweite von Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen – Maßstab und anwendbares Recht, in: Geimer/Kaissis/Thümmel, Ars aequi et boni in mundo – Festschrift für Rolf A. Schütze zum 80. Geburtstag, München 2015, S. 104 ff.; Niklas, a.a.O., S. 159 ff.] Das materielle Rechtsverhältnis schlägt in diesem Szenario mithin auf die prozessrechtliche Vereinbarung durch.

Anders liegt es, wenn es sich bei dem Wettbewerbsverbot um einen unechten Vertrag zugunsten der Zielgesellschaft handelt, aus dem diese zwar begünstigt wird, ihr aber kein durchsetzbarer Anspruch zusteht.[21. Vgl. Gebauer, a.a.O., S. 105 f. Anders aber Niklas, a.a.O., S. 162 f., der auch hier die Schiedsbindung annimmt.] Dann müsste die Zielgesellschaft auf andere Begründungsmöglichkeiten zurückgreifen, um die Schiedsklausel für sich nutzbar zu machen, beispielsweise Korrespondenz aus der Transaktionsphase. Für Szenario 2 bedeutet dies, dass sich die Frage, ob die Zielgesellschaft selbst ein zulässiges Schiedsverfahren gegen die Verkäuferin einleiten kann, zugunsten einer Schiedsbindung beantworten lässt, wenn das Wettbewerbsverbot als echter Vertrag zugunsten Dritter gestaltet ist (was für sich genommen im Einzelfall schwierig festzustellen sein kann). Soll aber nur die Käuferin den materiell-rechtlichen Anspruch für die Zielgesellschaft geltend machen können, fehlt es hinsichtlich der Zielgesellschaft an einem schiedsbefangenen Anspruch und sie muss anhand anderer Umstände dartun, dass das Schiedsgericht für eine von ihr gegen die Verkäuferin erhobene Schiedsklage zuständig ist.

 

5. Internationale Umschau

Auch in anderen Rechtsordnungen gilt grundsätzlich, dass nur an eine Schiedsvereinbarung gebunden ist, wer sie unterzeichnet hat.[22. Allg. Born, International Commercial Arbitration, 2. Aufl. 2014, S. 1406 f.] Gleichzeitig existieren unterschiedliche Konzepte für die – ausnahmsweise[23. Born, a.a.O., S. 1416.] – Ausdehnung der subjektiven Reichweite von Schiedsvereinbarungen auf Dritte.[24. Vgl. Holeweg, a.a.O., 1998, S. 34 ff.] Dabei ist aus dogmatischer Sicht anzumerken, dass es auch hier trotz der „Ausdehnung“ vorwiegend darum geht zu ermitteln, ob ein bestimmter „Dritter“ originär Partei der Schiedsabrede geworden ist.[25. Vgl. Born, a.a.O., S. 1414.]

 

5.1 Group of Companies Doctrine (Frankreich, USA)

Nach der Group of Companies Doctrine, die ihren Ursprung in Frankreich hat[26. Dort als Groupe de Sociétés Doctrine bezeichnet, s. Müller/Keilmann, a.a.O., 117 f.; vgl. Born, a.a.O., S. 1445 ff.; Kreindler/Schäfer/Wolff, a.a.O., Rn. 180; siehe etwa Dow Chemical France, The Dow Chemical Company and others v. ISOVER Saint Gobain, Interim Award, ICC Case No. 4131, 23. September 1982, in: Sanders, Yearbook Commercial Arbitration 1984, 131, 136 f.] und auch in den USA in unterschiedlichen Ausprägungen angewendet wird,[27. Vgl. die Aufzählungen der Ausnahmen im US-Recht in Zurich American Insurance Company v. Watts Industries, Inc., 417 F.3d 682, 687 (7th Cir. 2005).] ist es unter bestimmten Umständen möglich, eine Konzerngesellschaft, die nicht selbst Partei ist, in die Schiedsvereinbarung einzubeziehen: Wenn eine Gesellschaft durch ihre Stellung innerhalb des Konzerns oder durch ein besonders engagiertes Auftreten im Verhandlungsprozess entscheidenden Einfluss auf den Vertrag mit der Schiedsabrede hatte, wird ihr Wille unterstellt, in die Schiedsvereinbarung miteinbezogen zu sein.[28. Müller/Keilmann, a.a.O., 117 f.; Born, a.a.O., S. 1445, 1450.] Dabei genügt nicht allein der Umstand, dass es sich um eine Konzernstruktur handelt. Vielmehr müssen Merkmale vorliegen, anhand derer die Ausdehnung der subjektiven Reichweite der Schiedsklausel innerhalb des Konzerns legitimiert werden kann; beispielsweise eine prägende Rolle während der Verhandlungen oder bei der Durchführung des Vertrags, Aussagen, aus denen sich ableiten lässt, dass die Konzerngesellschaft von der Schiedsklausel erfasst sein soll, oder bösgläubiges Verhalten der Konzerngesellschaft wie arglistige Täuschung (fraud) über die Identität des tatsächlichenVertragspartners.[29. Born, a.a.O., S. 1448 ff. m.w.N., 1454 f.] Der Bindung eines Dritten mittels der Group of Companies Doctrine steht der deutsche „ordre public“ grundsätzlich nicht entgegen.[30. BGH, SchiedsVZ 2014, 151 (zur Group of Companies Doctrine unter indischem Recht).]

In Szenario 1 ließe sich im Einzelfall aus Sicht der Klägerin unter der Group of Companies Doctrine argumentieren, dass die Muttergesellschaft Alleingesellschafterin der Verkäuferin ist und aufgrund ihrer dominanten Rolle in den Vertragsverhandlungen als in die Schiedsvereinbarung einbezogen anzusehen sei. Die Zielgesellschaft in Szenario 2 könnte die Group of Companies Doctrine hingegen nicht ohne Weiteres für eine Erstreckung der Schiedsvereinbarung auf sich selbst nutzbar machen, da ihre bloße Zugehörigkeit zum Konzern der Käuferin dafür nicht ausreicht. Die Group of Companies Doctrine erlaubt es allerdings, weitere Umstände zu berücksichtigen, die gegebenenfalls auf eine Einbeziehung des Dritten in die Schiedsklausel hindeuten können, etwa die besondere Sachnähe der Zielgesellschaft zum Wettbewerbsverbot.

 

5.2 Vertrauensprinzip (Schweiz)

Auch im Schweizer Recht gilt der Grundsatz, dass nur unterzeichnende Vertragsparteien durch die Schiedsabrede gebunden sind.[31. Schweizer Bundesgericht (BGer), Urteil v. 19. August 2008 - 4A_128/2008, Rz. 3.2 und Urteil v. 7. April 2014 - 4A_450/2013, Rz. 3.2.; vgl. Art. 178 Abs. 1 des Schweizer Internationalen Privatrechtsgesetz.] Begrenzte Ausnahmen ergeben sich nach der Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichts aus Verkehrsschutzgesichtspunkten, wenn der Dritte der Einbeziehung zwar nicht ausdrücklich zugestimmt, aber durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht hat, dass die Schiedsvereinbarung auch auf ihn Anwendung finden soll.[32. BGer, Urteil v. 19. August 2008 - 4A_128/2008, Rz. 3.2.] Denn die Gegenpartei soll geschützt werden, wenn sie gerechtfertigter Weise anhand des Verhaltens des Dritten den Eindruck gewinnen durfte, (auch) mit dem Dritten zu kontrahieren.[33. Vgl. BGer, Urteil v. 7. April 2014 - 4A_450/2013, Rz. 3.2; Müller/Riske, in: Arroyo, Arbitration in Switzerland: The Practitioner’s Guide, 2. Aufl. 2018, S. 92.]

Um die Zuständigkeit des Schiedsgerichts für eine Klage gegen die Muttergesellschaft anhand des Vertrauensprinzips zu begründen, müsste die Käuferin in Szenario 1 aufgrund der Umstände des Einzelfalls überzeugend darlegen können, dass sie in der Annahme gerechtfertigt war, nicht lediglich mit der Verkäuferin, sondern zumindest auch, wenn nicht allein, mit der Muttergesellschaft zu kontrahieren. Definiert die Vertragsdokumentation die Vertragsparteien und hat die Muttergesellschaft auch keine Erklärung abgegeben, wonach sie dem Vertrag beitritt, dürfte der Käuferin dieser Vortrag kaum gelingen. In Szenario 2 dürfte eine Erstreckung der Schiedsvereinbarung mittels des Vertrauensprinzips gleichfalls schwerfallen, wenn die Zielgesellschaft nicht darlegen kann, dass die Verkäuferin im Verkaufsprozess tatsächlich zugestimmt hat, dass auch die Zielgesellschaft von der Schiedsabrede umfasst wird.

 

5.3 Doctrine of Assertion (Schweden)

Schwedisches Recht erfordert nicht, dass eine Schiedsvereinbarung schriftlich geschlossen wird. Ein konkludentes Einverständnis genügt.[34. Vgl. Reldén/Nilsson, in: Franke/Magnusson/Ragnwaldh/Wallin, International Arbitration in
Sweden, 2013, S. 67.] Erwachsen unter schwedischem Recht einem Dritten aus einem Vertrag eigene Rechte und Pflichten, so kann dieser Dritte auch durch die in dem Vertrag enthaltene Schiedsklausel gebunden sein.[35. Heuman, Arbitration Law of Sweden: Practice and Procedure, 2003, S. 77.] In bestimmten Fällen hat der schwedische Oberste Gerichtshof es im Rahmen der Doctrine of Assertion für die Schiedsbindung des Dritten zumindest in der Zuständigkeitsphase als ausreichend angesehen, dass der Kläger vortrug, der Dritte sei durch einen Vertrag gebunden, obwohl er weder den Vertrag noch die Schiedsvereinbarung unterzeichnet hatte.[36. Vgl. Heuman, a.a.O., S. 79.] Zusammen mit dem fehlenden Schriftformerfordernis ermöglicht dies eine weite Ausdehnung der Schiedsklausel.[37. Heuman, a.a.O., S. 78 ff.]

In Szenario 1 könnte einem Schiedsgericht für die Erstreckung seiner Zuständigkeit auf die Muttergesellschaft nach der Doctrine of Assertion demnach ausreichen, dass die Käuferin gegen die Muttergesellschaft vertragliche Ansprüche geltend macht und der Vertrag eine Schiedsklausel enthält. In Szenario 2 dürfte nach der Doctrine of Assertion genügen, dass die Zielgesellschaft ein eigenes vertragliches Recht zur Durchsetzung des Wettbewerbsverbotes geltend macht.

 

6. Fazit und Vorschlag zur Gestaltung von Schiedsvereinbarungen

Im Hinblick auf die Erstreckung von Schiedsvereinbarungen auf Dritte bei M&A-Transaktionen bestehen verschiedene Unsicherheiten für die Parteien des Unternehmenskaufvertrags. Eine erste Unsicherheit besteht bei der Bestimmung des auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren Rechts. Eine weitere besteht bei der Beantwortung der Frage, ob im Einzelfall der Dritte in den Anwendungsbereich der Schiedsvereinbarung fällt. Diese Schwierigkeiten lassen sich durch vorausschauende Vertragsgestaltung eindämmen. Ist eine Konstellation mit Drittbezug absehbar, empfiehlt es sich, vorab Rechtsrat zu den Auswirkungen des für die Schiedsvereinbarung gewählten Rechts auf die Frage der Einbeziehung Dritter in die Schiedsvereinbarung einzuholen.

Bei der Wahl des auf die Schiedsvereinbarung anzuwendenden Rechts bieten sich zwei Möglichkeiten an: Zum einen kann die Schiedsvereinbarung ausdrücklich in den Anwendungsbereich der allgemeinen Rechtswahlklausel im Unternehmenskaufvertrag aufgenommen werden. Zum anderen können die Parteien in der Schiedsvereinbarung eine ausdrückliche Rechtswahl treffen.

Um die Unsicherheiten im Umgang mit Dritten so gering wie möglich zu halten, empfiehlt es sich ferner, auch dazu ausdrückliche Bestimmungen in die Schiedsvereinbarung aufzunehmen. Es bietet sich die Unterscheidung nach Ausschluss und Einbezug von Dritten an, wobei sich aufgrund des Konsenserfordernisses beim Dritten der Ausschluss einfacher bewerkstelligen lässt. Er lässt sich dadurch absichern, dass die Schiedsvereinbarung ausdrücklich nur auf die Vertragsparteien beschränkt wird. Hier kann folgende Formulierung als Muster dienen: „Diese Schiedsvereinbarung gilt ausschließlich zwischen [Partei 1] und [Partei 2]. Eine Erstreckung der Schiedsvereinbarung auf andere Personen ist ausgeschlossen.

Bei der Erstreckung der Schiedsvereinbarung auf Dritte hängt das Vorgehen davon ab, ob der Dritte bekannt ist. Ist er bekannt, kann er namentlich in die Schiedsvereinbarung aufgenommen werden. Ist er nicht bekannt oder gibt es eine Vielzahl möglicher Dritter, die nicht einzeln benannt werden können, können die Parteien des Unternehmenskaufvertrags nur mit Bindungswirkung untereinander erklären, dass sie mit der Beteiligung bestimmter Dritter am Schiedsverfahren einverstanden sind. Das kann im Einzelfall sinnvoll sein, etwa wenn allen Gruppengesellschaften die Möglichkeit des Schiedsverfahrens eröffnet werden soll. Eine entsprechende Formulierung kann wie folgt lauten: „Die Parteien erklären sowohl jede für sich als auch gemeinsam, dass sie mit der Anwendung dieser Schiedsvereinbarung auch auf solche Streitigkeiten, die mit [einem Dritten] / [einer der im Anhang X aufgeführten Personen] / [einer Person, die mit einer der Parteien im Sinne von § 15 AktG verbunden ist,] aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag entstehen, einverstanden sind.“ Die Vertragsparteien können den Dritten aber nicht aus eigener Kraft an die Schiedsklausel binden. Verweigert er die Zustimmung zur Schiedsvereinbarung, beantwortet sich die Frage nach seiner Bindung nach dem hierauf anwendbaren Recht.

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