25.11.2017 | Björn Demuth

Goodbye Steuerparadies, welcome Denunziantentum! Folgen der Paradise Papers

Allgemein, Standpunkt

Mit den Paradise Papers werden nach Panama Papers und Luxleaks die nächsten Skandalunterlagen durch das mediale Dorf getrieben. Insgesamt sollen zwei Finanzdienstleistern 1,3 Mio. Daten über ihre Kunden mit teils dubiosen Geschäften in 19 Steueroasen rund um den Globus entwendet worden sein. Alle diese Offenbarungen sorgen für viele Schlagzeilen. Damit werden die Steuertricks der Superreichen und Konzerne öffentlich gemacht, auch wenn im gleichen Atemzug eingeräumt wurde, dass nicht alle Geschäfte illegal seien.

Doch wer nutzt wohl all die längst bekannten Steuerparadiese? Natürlich diejenigen, die hohe Einkommen und große Vermögen haben, seien es Privatpersonen oder Unternehmen. Was die meisten verblüfft: Das sind nicht alles Kriminelle, sondern oft sehr bekannte und erfolgreiche Akteure und Unternehmen, die erheblich finanziell profitieren. Daraus wird der moralische Vorwurf abgeleitet: „Die haben es doch gar nicht nötig. Warum lassen die dem Staat denn nicht mehr Steuern zukommen?“

Die entscheidende Frage ist aber doch: Wer ist denn der Staat, dem die vermeintlichen Steuern zustehen. Wenn die gewählte Gestaltung nicht illegal ist, dann steht eben keinem Staat die Steuer zu. Das internationale Staatengeflecht gestattet eben gewisse Löcher im steuerlichen Maschendrahtzaun. Jetzt mag man dies missbilligen und für nicht legitim halten und als unmoralisch anprangern. Aber rechtfertigt das den kriminellen Akt des Datendiebstahls? So scheint es jedenfalls, denn darüber wird nicht gesprochen. Und dies ist eine weitere wichtige Erkenntnis: Es gibt keine absolut sicheren Geheimnisse und Verstecke mehr. Jeder, der sich steueroptimierter internationaler Konzepte bedient – und sei es noch so legal –, muss mit dem Aufdeckungsrisiko und dem öffentlichen Blaming und Shaming rechnen. Der Datendieb wird nicht verfolgt, sondern im Gegenteil hofiert und beschützt.

Warum existieren überhaupt Steueroasen? Ganz einfach: Nicht jedes Land profitiert von den globalen Märkten gleichermaßen. Und auf Nachfragerseite gilt: „Wer viel hat, kann viel verlieren.“ Also kommen Staaten, die besonderen Einnahmedruck haben, mit Personen zusammen, die ihre Abgabenbelastungen reduzieren möchten. Dies ist den Industriestaaten jedoch ein Dorn im Auge. Sie forcieren das sogenannte Whistleblowing. So hat das EU-Parlament am 24.10.2017 einen Entschluss (2016/2224(INI)) gefasst, Whistleblower besser zu schützen und ihnen einen spezialisierten rechtlichen Beistand zu spendieren. Ganz nach amerikanischem Vorbild wird die rechtswidrige Informationsweitergabe mit Anreizen gefördert. Dabei wird unterschlagen, dass nicht alles, was unschicklich ist, auch unbedingt kriminell sein muss. Willkommen im Zeitalter des Denunziantentums, in dem CD-Datenverkäufer und Kronzeugen mit Geld oder Straffreiheit belohnt werden.

Allerdings muss man auch anerkennen: Vor allem die Industriestaaten haben nach der Wirtschaftskrise enorme Lasten zu schultern. Die Infrastrukturkosten steigen unaufhaltsam und durch die Digitalisierung werden immer mehr Arbeitsplätze früher oder später verloren gehen. Hierauf müssen sich die Staaten einstellen, und diesmal sitzen sie in einem Boot. Wie soll das alles finanziert werden? Bisher fehlt jede klare Strategie! Deshalb versuchen die Staaten zunächst einmal, alle erdenklichen Geldquellen anzuzapfen. Und dazu gehört auch, all dasjenige zu geißeln, was zwar legal, aber unerwünscht ist.

Als Quintessenz bleibt festzuhalten: Die Zeit der aggressiven Steuergestaltungsmodelle und der Steueroasen nähert sich einem Wendepunkt. Die gesetzlichen Neuregelungen werden massive Veränderungen bewirken. Zumindest für die EU kann man heute schon sagen: Wir sind auf einem deutlichen Weg hin zum Überwachungsstaat. Die bereits eingeleiteten gesetzgeberischen Maßnahmen zwingen zu einem Umdenken. Die Vorteile aus der Steueroptimierung werden von der Entdeckungsgefahr und möglicherweise irreparablen Reputationsschäden aufgezehrt. Gestaltungen sollten deshalb gut überdacht sein. Die Freiheit, optimal zu gestalten, wird von der staatlichen Datenkrake gleich wieder eingefangen. Big Brother watches everyting! Und was am Ende rechtlich oder politisch nicht zu lösen ist, wird über Negativpresse und Hetzkampagnen verunglimpft.

Autor
Björn Demuth
Profil
Das könnte Sie auch interessieren