28.04.2018 | Jan Eiben

Digital Marketing – eine Branche steht unter Druck

Allgemein, Standpunkt, Digitalisierung

Der kürzlich erfolgte Rücktritt von Martin Sorrell als einem der einflussreichsten Agenturchefs der vergangenen Dekaden wird den Agenturgiganten WPP in den nächsten Monaten vor Veränderungen stellen und auch Auswirkungen auf den M&A-Markt haben. WPP zählt traditionell zu einem sehr aktiven Käufer im Bereich Agenturen und Digital Marketing Services. Es ist noch nicht absehbar, aber denkbar, dass WPP sich nach einem wirtschaftlich durchwachsenen Jahr 2017 und unter neuer Leitung mit einer Neuordnung der Geschäftsbereiche beschäftigen und dabei verstärkt vom Käufer zum Verkäufer wird. 

In unserem aktuellen Hampleton Partners M&A-Report zu Digital Marketing zeigt sich, dass es in den letzten 30 Monaten über 700 aktive Käufer gab, mit einem medianen Transaktionswert von 25 Mio. USD. Der Gesamtwert der veröffentlichten Transaktionen belief sich dabei alleine in der zweiten Jahreshälfte 2017 auf mehr als sieben Mrd. USD. Europäische Investoren dominierten 2017 das Geschäft und machten 65% der Transaktionen mit europäischen Targets aus. 31% der Unternehmen hatten nordamerikanische Erwerber. Das Transaktionsvolumen in Großbritannien blieb im Vorfeld des Brexits unverändert und britische Unternehmen waren die aktivsten Käufer in Europa.

Hervorzuheben sind dabei neben einem klassischen Agenturnetzwerk wie Dentsu Aegis mit knapp 40 Transaktionen in den vergangenen 30 Monaten auch Beratungs- und IT-Service- Unternehmen, die verstärkt im Bereich Digital Marketing investieren. Sie wollen ihre traditionellen Stärken um ein tiefer reichendes Stack an zumeist digitalen Kreativlösungen erweitern. Allen voran ist hier Accenture mit 15 Transaktionen im letzten 30-Monatszyklus zu nennen. Die Bewegungen von Accenture, aber auch Deloitte, Capgemini und IBM werden den bereits genannten Agenturkonzernen wie Omnicom, Publicis oder IPG verstärkt zu denken geben. Zudem wagen sich diese Berater zunehmend in die vormals von Agenturen dominierten Bereiche Digital Marketing und Digital Transformation vor. Zünglein an der Waage ist inzwischen jedoch weniger die kreative Leistung, sondern die Software- beziehungsweise Datenkompetenz. Deswegen kann man davon ausgehen, dass Über nahmen und Fusionen in Zukunft deutlich „tech-orientierter“ sein werden, so dass der reine Zukauf von Agenturstammgeschäft und Persönlichkeiten an Bedeutung verliert. 

Für den Sektor wird insgesamt weiterhin eine hohe M&A-Aktivität erwartet, da die Branche unverändert unter einem hohen Veränderungsdruck steht. Sie hat an vielen Stellen die Frage nach einem wirklich zukunftsfähigen Geschäftsmodell noch nicht abschließend beantwortet. 

Strategische Haupttreiber sind die neuen europäischen und nationalen Datenschutzrichtlinien sowie die unverändert steigende Relevanz von Google, Facebook und anderen Gatekeepern beim Wechsel hin ins digitale Marketing und damit verbundener Budgets. Die Kunden fordern von ihren Dienstleistern mehr Transparenz, sind zunehmend über digitalen Anzeigenbetrug besorgt und fordern die Sicherstellung des digitalen Schutzes ihrer Marken. Das alles übt enormen Druck auf die Branche aus. 

Unternehmen, die diese Probleme wirksam lösen können, werden dabei verstärkt im Fokus von Transaktionen stehen, während klassische Agenturen mit durchwachse ner wirtschaftlicher Performance aufgrund austauschbarer Geschäftsmodelle sinkende Transaktionsmultiplikatoren hinnehmen müssen und zunehmend schwerer verkäuflich werden.

Jan Eiben
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