27.06.2019 | Oliver Horlebein

Aktivitäten aktivistischer Aktionäre nehmen stark zu

Allgemein, Standpunkt

Aktivistische Investoren haben ihre Tätigkeit in Deutschland in den letzten Jahren massiv ausgeweitet. Der Schwerpunkt liegt auf Industrieunternehmen.

Aktivistische Investoren sind meistens Value-Investoren, die eine Unterbewertung erkennen und eine Beseitigung der Ursachen einfordern. Unterbewertungen können aus vielerlei Gründen entstehen.

  • Ein Unternehmen hat unzureichend auf eine disruptive Veränderung seiner Märkte reagiert.

  • Schlechte operative Performance oder negative Analystenberichte sorgen für eine schlechtere Kursentwicklung als bei der Peergroup.

  • Es besteht eine große Streuung in der Performance unterschiedlicher Geschäftsfelder oder es bestehen nur geringe Synergien (conglomerate discount).

Insbesondere der letzte Punkt hat an Relevanz gewonnen, was man an den Umstrukturierungen bei Daimler oder Siemens erkennen kann.

Das Vorgehen von aktivistischen Aktionären lässt sich wie folgt beschreiben:

  • Zunächst wird eine Minderheitsbeteiligung unterhalb der gesetzlichen Meldeschwelle von 3% aufgebaut.

  • Anschließend wird Kontakt zum Management gesucht, um Maßnahmen zur Wertsteigerung einzufordern. Stellhebel sind Transformationsprogramme, Abspaltungen oder verbesserte Governance- Strukturen.

  • Im Folgenden wird die Beteiligung erhöht und bekanntgegeben.

  • Reagiert die Unternehmensleitung nicht auf Forderungen, wird mittels Kampagnen öffentlich Druck auf das Management ausgeübt. Gleichzeitig sucht man den Schulterschluss mit anderen Aktionären.

  • Sobald man genügend Stimmrechte auf seiner Seite hat, wird über die Hauptversammlung weiterer Druck ausgeübt. Häufig wird versucht, ein Aufsichtsratsmandat zu erlangen.

  • Sobald der aktivistische Aktionär seine Ziele erreicht hat, verkauft er seine Anteile und zieht sich zurück.

Ist ein aktivistischer Aktionär eingestiegen, empfiehlt sich eine konstruktive Zusammenarbeit.

Besser ist eine präventive Strategie, die den Einstieg im Vorfeld verhindert. Schutz bieten ein hoher Börsenkurs oder das Vorwegnehmen etwaiger Forderungen, zum Beispiel Abspaltungen. Eine gut aufgestellte Kommunikationsabteilung ist ein weiteres Asset. Es macht das Unternehmen wehrhafter gegenüber öffentlichen Kampagnen. Die Zeitspanne zwischen schwächelnder Performance und dem Einstieg eines aktivistischen Investors liegt bei circa 1,8 Jahren. Da ein Transformationsprogramm sechs bis zwölf Monate benötigt, bevor Effekte in der GuV sichtbar werden, bleibt nicht viel Zeit für das Management, Maßnahmen zu ergreifen.

Wenn ein Unternehmen mit schwächelnder Performance bereits auf sich aufmerksam gemacht hat, kann das Management Folgendes tun: Ursachenanalyse der Unterperformance und Abgleich mit Auslösern aktivistischen Investments. Geeignet dafür ist beispielsweise ein Modell von Alvarez & Marsal, das gegenwärtig 150 mögliche „Targets“ in Europa beobachtet. In den letzten zwei Jahren ist die Mehrzahl der vom Modell identifizierten Unternehmen in der Folge Ziel eines aktivistischen Investors geworden. In einem zweiten Schritt erarbeitet das Management ein Transformationsprogramm und kommuniziert dieses öffentlich. Ein Transformationsprogramm kann zum Beispiel die Abspaltung von Unternehmensbereichen umfassen, die unrentabel sind oder nicht mehr zum Kerngeschäft gehören. Wichtig ist, keinen Zweifel daran zu lassen, dass das Programm entschlossen durchgezogen wird. Anschließend kommt es darauf an, die zugesagten Verbesserungen pünktlich und vollumfänglich abzuliefern. Dann hat das Management auch in Zukunft freie Hand.

Oliver Horlebein
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